Laokoon & Mutant

Audio-Podcast: 06:44 min.


Kennen Sie… Laokoon und Mutant?

Der Campus der Universität Trier ist ein Grüner Campus. In der Landschaft stehen zahlreiche Werke zeitgenössischer Kunst. Im Jahr 2020 befinden sich 20 Kunstwerke auf dem Uni-Campus – zum Teil in den Gebäuden, vor allem aber in der Landschaft, dem Campus-Park. Bereits kurz nach Baubeginn auf dem Tarforster Plateau fällt die Entscheidung für ein Zusammenwirken von Architektur, Landschaft und Kunst. Ein umfassendes Kunst am Bau-Programm wird umgesetzt. Zwischen dem ältesten Kunstwerk aus dem Jahr 1972 – der dekorativen Malerei von Erich Kraemer im D-Gebäude und dem jüngsten Kunstwerk, den ‚Nischen Modellen’ von Barbara Wille und Thilo Folkerts aus dem Jahr 2012 sind zahlreiche Objekte platziert worden, die auch landschaftliche Marken setzen.

In den siebziger und achtziger Jahren zeichnet sich in der Bundesrepublik ein entscheidender Wandel im Verhältnis von Kunst und urbaner Architektur ab. Parallel zum Beginn der Bauarbeiten an der Universität Trier startet ein umfangreiches Kunstförderprogramm in Deutschland: Kunst am Bau. Kunst am Bau bezeichnet die Bereiche bildender und angewandter Kunst, die in oder an öffentlichen Gebäuden anzutreffen sind und sich in ihrer Konzeption speziell auf diesen Ort beziehen. Wand- und Deckenmalereien gehören folglich ebenso dazu wie Freiplastiken, Reliefplastiken oder Bauplastiken.

In den Planungen der Universität Trier wird schon in der ersten Baustufe festgelegt, die meisten Kunst am Bau-Mittel zusammenzulegen und einen Großteil der Kunstwerke in die Landschaft zu integrieren. Damit ist es möglich, in der Natur Schwerpunkte zu schaffen, bestimmte Situationen in ihrer Bedeutung zu steigern und wichtige Sichtbezüge herzustellen. In enger Zeitfolge werden Wettbewerbe mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten ausgeschrieben, die den Campus, eingebettet in einen Landschaftspark, zum großen Ziel haben. Den meisten Ankäufen gehen Ausstellungs- und Werkstattbesuche voraus, an denen die Präsidenten der Universität, die Leiter des Staatshochbauamtes Trier sowie ein Vertreter vom Ministerium für Bildung und Kultur Rheinland-Pfalz teilnehmen.

An den Kunst am Bau-Wettbewerben beteiligen sich etwa 80 Künstlerinnen und Künstler, darunter viele aus Rheinland-Pfalz und der Region Trier. Der Schwerpunkt der eingereichten Arbeiten liegt auf figürlichen Plastiken, die in eine Skulpturengalerie eingegliedert oder als freistehende Großplastik auf dem Berg angesiedelt werden sollen. Nicht alle Kunstwerke sind dabei für den Trierer Campus entworfen. Einige Arbeiten existieren bereits als eigenständige Entwürfe, bevor sie in den Dialog mit der Architektur und Landschaft auf dem Trierer Campus treten. Viele der Kunstwerke werden unter thematischen oder ästhetischen Gesichtspunkten ausgewählt und werden den örtlichen Gegebenheiten angepasst, damit sowohl Material als auch Dimension stimmig sind.

Die Kunstwerke auf dem Campus stehen im Dialog mit der Architektur oder mit der Landschaft. Eine besondere Bedeutung hat man an der Trierer Universität den Kunstwerken beigemessen, die in der weitflächigen Landschaft intervenieren. In diese Kategorie fallen vor allem der Weg der Monolithe. Das Team aus Anna Maria Kubach-Wilmsen und Wolfgang Kubach hat hier 1988 besondere Orte in der Landschaft mit besonderen Gesteinen gestaltet. Betritt man den Weg der Monolithe durch das steinerne weiße Tor aus Carrara-Marmor, eröffnet sich dem Besucher ein Pfad, der von heimischen und fremden Gesteinen geebnet oder gesäumt wird.

Aus Carraramarmor ist auch die biotopähnliche Landschaftsinstallation von Hubert Benatzky, die einen natürlichen Wasserverlauf vortäuscht, um die Sichtachse vom Amphitheater auf eine entfernt liegende Marmorkugel zu lenken, die ihrerseits in einem übergeordneten architektonischen Kontext steht.

Es werden Naturräume gestaltet, die Ruhe und Erholung spenden sollen, andererseits aber auch als Treffpunkt für Studierende und Universitätsangehörige dienen – ein besonders wichtige Funktion für Campusuniversitäten, die nur bedingt in eine bestehende, innerstädtische Struktur eingebunden sind.

Betrachtet man die Auswahl der Skulpturen auf dem Trierer Unicampus, dann dominieren die figürlichen Plastiken über den abstrakten – eine Tendenz, die für die Kunst nach 1960 nicht selbstverständlich ist. In dieser Reihe ist Waldemar Ottos Laokoon 86 aus Bronze, der auf einem eigens für ihn errichteten Hügel vor dem Psychologie-Gebäude thront, eines der eindrucksvollsten Werke. Obwohl er in seiner Monumentalität den Anspruch auf eine raumgreifende Skulptur erhebt, zentriert er den Blick nicht auf sich selbst, sondern lenkt ihn in eine symbolische Ferne, die hinter den Campusgrenzen liegt.

Gemeinsam ist allen figürlichen Stücken ihr Übergangszustand: Ob bei Laokoon, Eberhard Linkes Vordenkersäule oder Johannes Mettens Mutant, stets wird das traditionelle, mimetische Verfahren durch die beginnende Auflösung der Form unterlaufen. Es kommt zu rätselhaften Deformationen und Verunklärungen, die den Übergang zu einer neuen Formensprache andeuten.

Ein Künstler, der sich dieser neuen Sprache bereits bedient, ist Christoph Mancke. Seine weithin sichtbare Monumentalplastik, Zeichen in der Landschaft, zeigt drei rostige CorTen-Kuben, die sich trotz ihrer sperrigen Ausmaße sanft in die hügelige Landschaft einfügen. Das abweisende Material scheint im Herbst, wenn es mit dem rotbraunen Laub der angrenzenden Bäume korrespondiert, von ähnlicher Poetik wie die Stahlplatten Richard Serras.

Alle Kunstwerke des Campus I und des Campus II sind am besten zu entdecken mit der App „KunstCampus“ oder dem Faltplan auf der Website der Universität. Hier erfährt man die genauen Orte, Wissenswertes zu den Künstlern und deren Ideen.

 

Die Informationen zu diesem Podcast entstammen zum größten Teil den Aufsätzen von Ulrike Gehring und Konrad Müller aus dem Band: Auf der grünen Wiese. Die Universität Trier. Architektur. Kunst. Landschaft, Trier 2004. Zur Vertiefung sei das Buch wärmstens empfohlen!

 

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