Preußisches Schloss

Audio-Podcast: 7:51 min


Kennen Sie… das preußische Schloss?

Preussisches SchlossSchlicht, sachlich, zig Fenster und fast ein eigenes Karree auf dem Weg vom Hauptbahnhof in Richtung Innenstadt: Das imposante Verwaltungsgebäude der ehemaligen Trierer Reichsbahndirektion verbirgt hinter seiner monumentalen Fassade unerwartete Details. Mit mehr als 300 Räumen zählt das Anwesen zu den größten Immobilien der Stadt. Im Keller des in den Zwanziger Jahren errichteten Gebäudes wütete einst die Gestapo und folterte Gegner des NS-Regimes. Heute residiert hier unter anderem das Mehrgenerationenhaus, in dem gleich mehrere Verbände und Einrichtungen ihren Sitz haben, Platz ist außerdem für ein Café und weitere Institutionen.

Deutschland – Behördenland. Das Vorurteil wurde in einer Zeit geboren, als die preußische Regierung Verwaltungsbauten errichten ließ, die an die Schlösser aus früheren Jahrhunderten erinnern. Hier wurde verwaltet, bilanziert und auf den Weg gebracht, was den Freistaat Preußen wirtschaftlich erfolgreich machte. In Trier war vor allem die Anbindung an das Eisenbahnnetz entscheidend für den Aufschwung und die Entwicklung der Stadt nach dem Ersten Weltkrieg.

Schon seit 1914 waren die Verbindungen in den Westen und Süden gut ausgebaut, als Station zwischen dem Ruhrgebiet und Frankreich wurde Trier zum belebten Standort für Gewerbe und Handel. Nach dem Weltkrieg war Trier für ein gutes halbes Jahr Sitz der Zentraleisenbahndirektion, welche die Erlasse der linksrheinischen Eisenbahndirektionen Köln und Saarbrücken verwaltete. Wenige Monate später wurde die Eisenbahndirektion Saarbrücken aufgelöst und nach Trier verlegt – samt 500 Mitarbeitern. Für dieses Team mussten Arbeitsplätze und Wohnungen geschaffen werden, die der Architekt, Regierungs- und Baurat Karl Albermann plante und in den Jahren 1922 bis 1925 errichtete. Eine Plakette, die an einen überdimensional großen Kronkorken erinnert, dokumentiert die Bauzeit an einem Nebeneingang in der Christophstraße.

Die Reichseisenbahndirektion an der Ecke Balduinstraße/Christophstraße wurde Verwaltungsgebäude und Wohntrakt in einer Einheit. Als vierflügelige Anlage ist das Gebäude auf einem typischen Schlossgrundriss mit einem L-förmigen Anbau im Osten errichtet worden, der an der Balduinstraße die Wohnungen der preußischen Beamten beherbergte. Der Haupteingang, der ebenfalls in den Anbau führt, ist mit Fassadenschmuck und vorgelagerten Balkonen ausgewiesen. Diese Asymmetrie zeigt, dass der Architekt bewusst von den historistischen Architekturformen der Gründerzeit Abstand genommen hat.

Von außen ist das Gebäude schlicht gehalten. Auf einem Erdgeschoss mit gedrungen wirkenden rundbogigen Arkadengängen an den Straßenseiten erheben sich drei Stockwerke mit eher kleinen einfachen Sprossenfenstern. Der mit wenigen Stufen etwas erhöhte Eingangsbereich ist ebenfalls mit Rundbögen gekennzeichnet und über einen dreieckigen Vorplatz zu erreichen. Das Schlichte war so gewollt, wie die Urkunde zur Grundsteinlegung verrät, die Karl-August Heise in seinem Buch “Die alte Stadt und die neue Zeit” zitiert: “…soll ein Bau errichtet werden, in einfachsten Formen, welche auch nach außen erkennen lassen, daß unser Vaterland durch das Friedensdiktat von Versailles arm geworden ist”.

Einziger “Schmuck” ist das von zwei barbusigen Damen flankierte Wappen mit den Initialen RBDT für Reichsbahndirektion Trier, welches im Detail expressionistische Zickzacklinien aufweist. Begleitet wird das Wappen beidseitig von jeweils zwei Medaillons, unter anderem mit Tier- und Pflanzenmotiven. Aussagekräftiger sind die Medaillons an dem Gebäudeflügel, der mit seiner Schmalseite Richtung Balduinstraße weist. Die drei runden Reliefs zeigen Bezüge zur Eisenbahn. Links schmiegt sich eine starke Frau mit antiken Zügen an eine Lokomotive, rechts hält ein athletischer Jüngling Blitze fest als Allegorie auf die Elektrifizierung der Eisenbahn in den vorangegangenen Jahrzehnten. In der Mitte nimmt der Götterbote Hermes mit seinem Schlangenstab eine zentrale Position ein – als Schutzgott des Verkehrs und der Reisenden.

Ein eher unauffälliger Eingang befindet sich an dem Anbau in der Balduinstraße, in dem die Wohnungen der Mitarbeiter platziert wurden. Auch hier gliedert sich die Fassade asymmetrisch durch die vier bis auf den Boden reichenden Fenster, welche die Räume mit mehr Tageslicht versorgen, oberhalb und neben der Haustür. Schlossähnlich symmetrisch dagegen präsentiert sich die Fassade des Flügels entlang der Deworastraße. Der dreigeschossige Mittelteil mit Mansarddach wird von zwei viergeschossigen Gebäudeteilen flankiert, von denen eine Ecke modern abgerundet ist – ein erster Hinweis auf spätere Großstadtarchitektur, welche dieses Motiv gerne variierte.
Das Innere des Gebäudes mit 320 Räumen und knapp 9.000 Quadratmetern Nutzfläche ist vergleichsweise spielerisch gestaltet – im Gegensatz zur beinahe zeitlosen Außenwirkung mit überschaubaren Details.

Schon das Foyer mit seinen achteckigen Säulen und dem monumentalen Haupttreppenhaus lässt erahnen, welch hohen Stellenwert die Direktion hatte – ohne nach außen zu sehr zu protzen. Vorherrschend ist auch hier die Verwendung von expressionistischem Dekor. Alle Türen haben profilierte Steingewände mit erhabener Zimmernummer. Besonders die erste Etage ist im Flur mit zeitgenössischen Ornamenten geschmückt, die teils abstrakt aber zuweilen auch figürlich sind. Das Portal – wahrscheinlich zu den Räumen des Trierer Reichsbahndirektors – ist besonders durch zackige Reliefs und einen zarten Frauenkopf betont, der so gar nicht zu den eher tumben Medaillons daneben zu gehören scheint. Auf dem ersten spielt eine Putte mit Mozartfrisur mit einer Eisenbahn während daneben ein Kind mit derben Stiefeln bis zur Hüfte mit einem Riesenschritt einen Zug überquert. Vom Zauber der Siebenmeilenstiefel keine Spur.

Es ist das Gesamtkunstwerk des Gebäudes, das im Inneren vor allem in den schlicht weiß und grau gehaltenen Fluren architektonisch überzeugt. Die Flure mit Farbfassungen in braun, beige und orange lassen die Räume duster und unzeitgemäß wirken. Das zentrale Treppenhaus mit einem mittig eingepassten Aufzug zeigt in einem Detail, dass Karl Albermann gerade das streng Monumentale mit zartem Unerwartetem kombiniert. Einfach stilisierte farbig gefasste Äpfel machen das eiserne Treppengeländer zu einem Kunstwerk an sich. Auch der obere Abschluss des Treppenhauses mit einem expressionistisch geschmückten Pfeiler zeigt, dass alle Ebenen des Gebäudes, also auch in der Verwaltung, das Recht auf etwas Schönes haben. Jede der zahlreichen achteckigen Säulen ist mit sternförmigen Profilen gestaltet.

Bereits nach zehn Jahren, 1935, verlor Trier den Sitz der Eisenbahndirektion wieder an Saarbrücken, seitdem hat das Gebäude unterschiedliche Nutzungen erlebt. In der Zeit des Nationalsozialismus hatte die Trierer Gestapo hier ihr Hauptquartier. Im Keller im zweiten Untergeschoss wurde gefoltert und von hier aus gelangten die Verfolgten zum nahe gelegenen Güterbahnhof – und von dort zum Transport in die Konzentrationslager. Heute beherbergt das Gebäude verschiedene soziale Einrichtungen, Büros und Unternehmen.

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